by Petra

Ein groteskes, halbfiktives Trauerspiel. In Szene gesetzt von Christian Adam*

Im Jahre 2007 wurde Rumänien von der EU aufgenommen. Das dortige Taxigewerbe jubelte, war man ja plötzlich EU-reif. Im Jahre 2008 habe ich mich auf die Spuren des Taxigewerbes in Rumäniens Hauptstadt Bukarest gemacht und festgestellt, dass die dortige Taxi-Szene trotz EU-Reife immer noch tiefster Balkan war. Meine Betrachtungen können im Artikel „Taxigewerbe und Balkan“ (Taxizeitung Nr. 30, 06/2008) nachgelesen werden. Damals habe ich aus den für Touristen aufliegenden City-Guides, konkret aus dem „Inyourpocket-Guide“ (Ausgabe April/Mai 2008), wie folgt zitiert, denn noch nie zuvor habe ich so deutliche Warnungen vor Taxifahrern gelesen wie in Bukarest.

„Schon in den Ankunftshallen der beiden Flughäfen versuchen Betrüger, Ihnen eine Taxifahrt in die Stadt anzubieten (Entfernung ca. 17 bzw. 8 km vom Zentrum). Ignorieren Sie diese in jedem Fall. Vor den Flughafengebäuden warten Taxis der Gruppe „FlyTaxi“, welche das Monopol an den Flughäfen innehaben. Viele der Fahrer sind zwar ehrlich, verlangen aber den angeschriebenen Fahrpreis (Anmerkung: Ab 88 Lei), der für sich allein schon mindestens dreimal so hoch ist wie jener anderer Taxigruppierungen. Achten Sie unbedingt darauf, dass der Preis in rumänischen Lei angeschrieben und zu zahlen ist, denn schon manchmal wurde der Fahrpreis in Euro statt in Lei begehrt.“

„Bukarester Taxifahrer haben ein „äußerst liberales Verständnis“ wenn es darum geht, die Fahrgäste auszunehmen. Sie sehen jeden Fahrgast als williges Opfer an, egal ob Einheimischer oder Tourist, egal ob männlich oder weiblich, egal ob jung oder alt. Auch wenn alle Taxis ziemlich gleich aufgemacht sind, sollten Sie sich bemühen, den Unterschied zwischen Taxis vertrauenswürdiger und vertrauensunwürdiger („unabhängiger“) Gruppierungen zu erkennen. Letztere bezeichnen sich ebenfalls als autorisiert und geben ebenfalls die Telefonnummer ihrer Zentrale am Fahrzeug an. Nehmen Sie ja kein Taxi der Gruppe „9403“, nehmen Sie einen Wagen der unten angeführten (Anmerkung: 14) Gruppen.“

Ein durchaus findiger Taxilenker, nennen wir ihn einmal ganz fiktiv Dorin, erkannte sofort das Potential, das die EU für ihn mit sich brachte. Denn warum sollte man unwissende Taxifahrgäste wie Touristen nur in rumänischen Lei (wie erwähnt) betrügen? Schließlich kannten diese ja den Euro. Warum also den Fahrpreis nicht in Euro statt in Lei verrechnen? Das vervierfacht den Gewinn zumindest – oder soll man sagen die Beute? Schließlich fuhr Dorin nur die beiden Flughäfen an. Dort konnte er leicht Touristen als Fahrgäste auswählen, indem er einheimische Fahrgäste oder solche mit kurzen Fahrwünschen einfach ignorierte und im Regen stehen ließ.

Dorin erkannte mit seinem grenzüberschreitenden Weitblick, dass Bukarest nicht unbedingt der Nabel der Welt ist und begann zu grübeln, wo sonst in der EU er seiner honorigen Dienstleistung an Taxikunden nachgehen könnte. Flugs kam er auf Österreich, dann bald auf Salzburg, die Festspiel- und Touristenstadt.
Zwar hatte er noch nichts von Salzburg gehört, doch viele seiner Nachbarn wurden von freundlichen Besuchern aus Salzburg angeworben, damit diese dort dem freien Gewerbe der Bettelei nachzugehen. Schließlich fehlten im Salzburger Stadtbild ja rumänische Bettler, welche jede Stadt noch internationaler machen. Die Gutmenschen machten aus seinen Nachbarn flugs Notreisende und legten ihnen sogar den roten Teppich aus, damit sie übersiedeln. Salzburg muss also eine gute Stadt sein, dachte Dorin und überlegte, dass er auch dort, als Taxifahrer am Flughafen, gute Geschäfte und sich so die Willkommenskultur der freundlichen Leute zunutze machen konnte. Schließlich waren die Taxifahrpreise ja viel höher als in Bukarest und noch dazu war der Euro die Verrechnungseinheit. Das zumindest Vierfache der Beute ausschließlich in Euro (und nicht manchmal doch noch in rumänischen Lei) war eine zu gute Aussicht, als dass Dorin der Verlockung widerstehen hätte können. Gar nicht eigennützig denkend, konnte er auch manche seiner taxilenkenden Kumpane begeistern. Willkommen in Salzburg!

Kaum in Salzburg angekommen, trafen Dorin und seine Kumpane auf unseren Ali (vgl. Taxizeitung, vor 2006), welcher ihnen erklärte, dass Salzburg die Stadt sei, in der Milch und Honig fließen. Vom Auto angefangen über sportliche Kleidung bis hin zu tollen Uhren und neuesten Handys konnte Dorin sich alles zulegen, was er auch tat. Unglücklich war er, als die Verkäufer dann doch tatsächlich Geld von ihm für diese Waren wollten. Das soll Willkommenskultur sein? Er befragte also seinen neuen Freund Ali, ob nicht die guten Salzburger Menschen dafür aufkommen sollten? Natürlich wusste Ali die Lösung und die hieß Privatkonkurs. Nun konnte Dorin vor seinen Freunden glänzen, schließlich war er ja als offizieller Schuldner nunmehr Wirtschaftsfachmann. Nebenbei hatte er sieben Jahre Ruhe von den unsympathischen Menschen, die Geld von ihm wollten.

Die für das Taxigewerbe in Bukarest Verantwortlichen hatten bald erkannt, dass Dorin und seine Kumpane eine Lücke hinterließen. Die Gelegenheit war also günstig, strenge Regeln für das an den Flughäfen tätige Taxigewerbe einzuführen. Die Fahrgäste und Touristen wurden darauf hingewiesen, dass jedes Taxi seinen Kilometerfahrpreis am Fahrzeug angeschrieben haben muss (zwischen 1,39 und 3,5 Lei pro Kilometer, ohne Grundgebühr), dass das Anwerben von Fahrgästen (auch durch dritte Personen) außerhalb von Taxistandplätzen unter Strafe steht, und dass das nächst wartende Taxi den Kunden jedenfalls zu befördern hat. Also alles im Sinne der Taxikunden im Bukarester Taxigewerbe? Natürlich nicht, doch dazu später.

Dorin, ganz der Wirtschaftsfachmann, gründete zunächst in Salzburg einen Club für alle seine taxilenkenden Landesmänner. Schließlich sollte der Flughafen nur mehr von rumänischen Taxilenkern angefahren werden, damit die angeführten Spielereien nicht so auffallen. Und eine Überlandfahrt brachte regelmäßig so viel, wie andere in einer Woche verdienen. Doch warum nur den Flughafen? Man könnte ja auch am Bahnhof von dort wartenden Taxis viel Geld verlangen. Und dass eine Handvoll unbelehrbarer Österreicher Dorin und seinen Kumpanen nicht sofort nach ihrer Ankunft Taxikonzessionen nachgeschmissen haben, musste ebenfalls abgestellt werden. Diese komischen Österreicher haben doch glatt eine Prüfung verlangt. Frechheit. Das musste auch anders gehen. Prüfungen lassen sich doch nicht mit der Willkommenskultur vereinbaren. Also wird der „Club Dorin“ eines schönen Tages auch die Wirtschaftskammer mit all ihren, nur im Wege stehenden Funktionären ersetzen.

Doch Dorin wollte mehr sein als nur ein Wirtschaftsfachmann in Salzburg, nämlich internationaler Wirtschaftsfachmann. Also übernahm er auch die Ausbildung interessierter, an den Bukarester Flughäfen tätiger Taxifahrer, um einmal über genug „Nachwuchsfahrer“ in Salzburg zu verfügen. Einziger Ausbildungsgegenstand war natürlich, wie man Fahrgäste am besten betrügt.

Dorins Bemühungen und sein Erfolg blieben in Bukarest nicht unbemerkt. Flugs wird wieder vor seinen an den Bukarester Flughäfen tätigen Freunden, also in unserem Trauerspiel, vor den für eine Tätigkeit in Salzburg auserkorenen Taxifahrern, gewarnt:

„Die Preise für Taxifahrten sind fast ein Witz, nie teurer als 5 Euro in der Innenstadt. Doch allgemein muss man aufpassen, nicht betrogen zu werden. Man sollte nur Taxis von Firmen mit gutem Ruf nehmen. Denn mittlerweile kleben sich unabhängige Fahrer auch Namen aufs Taxi und rauben den Fahrgast unter Umständen sogar aus. Manche Fahrer stehen im Verdacht, das Taxameter manipuliert zu haben. Rumänische Taxifahrer bestimmen gerne ihr Trinkgeld selbst. Es gibt auch eine Taxi-Mafia am Flughafen Otopeni und am Hauptbahnhof, die man vermeiden sollte. Denn die Taxi-Mafia verlangt und besteht darauf, dass Sie Euro 60 – 80 (statt maximal Euro 20) für eine Fahrt vom Flughafen bis in das Stadtzentrum bezahlen.“ (Quelle: www.bukarest-info.de/taxi.html, 16.01.2017, gekürzt).

Natürlich ist Dorin erbost darüber, dass ihm und seinem Club rumänische Landsleute dermaßen ins Handwerk pfuschen. Dorin wäre aber nicht Dorin, wenn ihm auch in dieser Situation nichts Neues einfallen würde. Doch darüber vielleicht ein anderes Mal. 


* Der Inhalt stammt ausschließlich vom Autor und muss sich weder mit der Meinung noch der Ansicht der Redaktion decken noch von dieser gut geheißen werden